Blick Winkel

Arnold Topp - Tor der Saldria
Arnold Topp - Tor der Saldria - 1921 - Öl auf Leinwand - 26,2x33,2 cm

Blick Winkel

In der Regel suchen sich Künstler ihre Motive selbst aus, wenn ihnen nicht für ein Auftragswerk das Motiv vorgegeben wird. Manche Motive fallen dem eilig Vorbeilaufenden nicht weiter auf, ein Künstler sieht jedoch darin etwas Besonderes, das ihn inspiriert. So finden wir auf den Gemälden Motive, die sich sofort zuordnen lassen, Wahrzeichen der Stadt wie Kirchen oder Türme. Wir finden aber auch triste Straßenzüge, Gassen, Hinterhöfe oder Ruinen, die wir nicht nur nicht mehr kennen, sondern bei denen wir uns fragen, was den Künstler zu dieser Motivwahl bewogen hat. Auf jeden Fall lässt sich aus diesem Blickwinkel die Stadt mit anderen als den gewohnten Ansichten erleben.

Das Bild „Tor der Saldria“ von Arnold Topp zeigt den Blick in einen unscheinbaren Winkel eines Gebäudes statt auf seine beeindruckende Fassade. Das alte Von Saldernsche Gymnasium stand an der Havel direkt neben der Johanniskirche, durch dieses Tor ging der Zeichen- und Turnlehrer Topp jeden Tag. Das in kubistischer Manier komponierte Bild von 1921 ist ein klassisches Beispiel für den Bruch mit herkömmlichen Malweisen, der sich im Kubismus vollzog. Topp greift Elemente der Torsituation zwar auf, ordnet sie aber formal neu und gliedert mit ihnen den Raum des Bildes. Besonders hebt er die Gitter hervor, die dem beliebten Lehrer ebenso aufstießen wie seinen Schülern. Das Gegenspiel von Hell und Dunkel, jahrhundertelang ein wesentliches Prinzip in der Malerei, dient hier der formalen Gewichtung der architektonischen Elemente. Auch auf eine exakte Perspektive verzichtet Topp zugunsten schräg stehender Pfeilerfluchten und sich überlagernder Bildelemente und schafft damit eine geometrisierende Abstraktion der realen Situation. Im Gegensatz zu seinen sehr farbintensiven Stadtlandschaften hat Topp in diesem Bild eine fein abgestimmte Variationsbreite des nächtlich-stumpfen Ziegelrots der Johanniskirche und der Torpfeiler ausgearbeitet. Die komplementären türkisen Akzente bringen Spannung ins Bild und stellen als Lichtreflexe ein Gleichgewicht zum Grundmotiv her.

Konrad Knebel - Linienstraße
Konrad Knebel - Linienstraße - 1981 - Öl auf Leinwand - 75x100 cm

Die beiden Bilder von Konrad Knebel zeigen scheinbar monotone Häuserreihen der gründerzeitlichen Vorstädte in der Linienstraße und der Damaschkestraße. Der Maler wurde bekannt dafür, dass er vor allem in Berlin und Potsdam immer wieder diese typischen Straßenzüge malte. Es gelang ihm, die Morbidität und endlose Gleichförmigkeit einzufangen, die dieses Lebensumfeld ausmachte. Faszinierend ist es aber auch zu entdecken, dass seine in Serien entstandenen Straßenbilder nur auf den ersten Blick gleichförmig wirken. Bei näherem Hinsehen hat jede Straßenflucht ihre eigenen Details, so dass sie fast wie Portraits wirken, Gesichter mit individuellen Zügen, einander ähnlich und doch grundverschieden. Knebels Ansatz für die fast dokumentarische Art der Beschäftigung mit diesen Straßen ist ein symbolischer. Die in den Jahrzehnten vor und nach 1900 ebenso reihenweise errichteten, nur äußerlich historistisch verschönten endlosen Straßenzüge sind für ihn eine zeitlose Metapher, sie stehen in ihren unterschiedlichen Verfallsstadien für das menschliche Leben und Sterben an sich. Knebels Straßenbilder erzählen von der stillen Melancholie der Resignation.

Horst Wall - Hochhaus hinter drei Bäumen
Horst Wall - Hochhaus hinter drei Bäumen - 1968 - Öl auf Karton - 36,5x45,5 cm